Ausgabe Frühling / Sommer 2022

Glaube + Poesie

Inhaltsauszug

Ich suche die Orte auf, wo mir die Worte fehlen. – Dort suche ich nach Worten – und genau das ist Literatur.
Ein Interview mit Christian Lehnert, Dichter und Theologe aus Dresden, mehrfacher Preisträger von Literaturpreisen und Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Uni Leipzig, sagt zur Frage:

Was macht der Krieg in der Ukraine mit Ihnen?
Zunächst macht mich der Krieg fassungslos ≪als Mensch≫, und viele Erinnerungen kommen hoch an meine Zeit als Bausoldat, als ich den Wehrdienst in der DDR verweigerte und in Arbeitslagern war: Sind die Friedensträume, die mich damals bewegten, endgültig als Illusion abgelegt? Als Dichter beschäftigt mich die Erosion der Sprache, die Kriege mit sich bringen – die Wahrheit ist das erste Opfer, und das sprachlose Elend unterwandert die Wörter. Was sind Wörter für uns noch? Haben wir noch einen Sinn für «Wahrhaftigkeit»?

Was er- oder entmutigt Sie an der gegenwärtigen kirchlichen Lage?
Mich ermutigt die Gewissheit, dass der Abbruch der Formen und die Implosion der Institutionen bereits neue Formen in sich enthalten. Das Christentum hat letztlich keine bestimmbare Identität, sondern es ist eine Bewegung, ein Fallen nach vorn auf den Christus zu. Wir kehren zurück in anfängliche Momente, wo man sich orientieren muss – und das sind fruchtbare Zeiten.

Aussagen von Richard Kölliker im Haupttext: «Vielleicht hält sich Gott einige Dichter …»
Die Dichtung verdichtet nicht nur die Wahrnehmung, sie schafft Wirklichkeit neu, verwandelt sie.

Christian Kaiser schreibt «Rund ums Schweigen»
Auch erinnere ich mich an einen grossen Meister der Meditation, den kürzlich verstorbenen Thich Nhat Hanh, der den Kindern empfahl, im Takt der Schritte einatmend zu sagen: ≪oui, oui, oui≫ und ausatmend ≪merci, merci, merci≫. Ich beherzige seinen Tipp und erlebe Neues. So einfach kann es sein.